Montag, 22. Juli 2013

5 Tipps, ein Jersey-Sommerkleid zu nähen, das nicht wie ein Nachthemd aussieht




Na? Das ist doch zumindest am Casual Friday bürotauglich, oder?
Ich weiß nicht, wie viele Jersey-Shirts und -Kleider unter meiner Nähmaschine hervorgehüpft und dann umgehend zu unfreiwilligen Nachthemden erklärt worden sind, aber ich glaube, inzwischen weiß ich, woran das lag und wie es zu vermeiden ist. Anhand eines WIP will ich das hier mal auseinandernehmen.

1. Die Farbauswahl.
Jersey in Pastellfarben mit Muster sieht IMMER nach Nachthemd aus. Ohne Muster geht hier und da bei blonden, zierlichen Frauen, sofern ganz klassische Schnitte Verwendung finden. Ich bin dunkel, also sind Pastellfarben für mich ein No Go. Meine Wahl fiel auf ein kräftiges rotviolett. Auf den folgenden Fotos ist nicht ein einziges Mal der der Farbton exakt getroffen, aber ich schwöre, der Farbton ist satt und eher dunkel.

2. Die Stoffauswahl.
Jersey ist nicht gleich Jersey. Singlejersey aus reiner Baumwolle sieht leicht billig aus und mag für leichte Nachtwäsche angehen. Interlock leiert. Für Kleider und Röcke bei erwachsenen Frauen braucht der Stoff eine gewisse Schwere. Ich hab mich für einen dünnen, aber dennoch schwer fallenden Viskosejersey entschieden. Für Passform und Knitterfestigkeit mit 8% Spandex.



3. Der Schnitt.
Sackartiges geht prima als Nachthemnd...
Ich habe einen Schnitt gewählt, der eine hohe Taille und deutliche Abnäher unterhalb des Brustbereiches hat. Mit einem Schnittmuster kann ich hier nicht dienen, meine Kleiderschnitte sind über die Jahre selbstgefrickelt und immer wieder genau an mich angepasst.

4. Die Verarbeitung I
Der leichte, gut fallende Viskosejersey hat den Nachteil, dass sich auch das Oberteil lang und länger zieht, wenn ich nix dagegen unternehme.

5. Die Verarbeitung II
Dazu kommt, dass Bündchen für Pyjamas taugen, aber  bei Kleidern eher daneben sind. Wie aber den Halsausschnitt und die Ärmelabschlüsse dann wellen- und bündchenfrei hinkriegen?

Ich werde das Oberteil doppeln und damit alle diese Probleme los. Es entstehen dabei aber ein paar neue, und wie ich die umschleiche, zeige ich mit den folgenden Bildern.

Hier hängt erstmal alles zugeschnitten auf der Sprossenwand. Die Innenteile des Oberteils habe ich aus Baumwolljersey zugeschnitten, der etwas fester ist als der Viskosejersey. Von der Farbe her wäre er für das Außenkleid natürlich total verboten!

Schreck! Ich hab gar keine Ovikonen in der nötigen Farbe!!! Also schummele ich: Ich nehme drei in einem halbwegs passenden Ton und eine normale Nähgarnrolle im exakten Farbton für die linke äußere Spule. Das ist die einzige Farbe, die von außen sichtbar sein wird. Glaubt ihr nicht?

Innen.

Außen. Das sind übrigens die Rockteile, die ich mit der Ovi zusammengenäht habe.
Die Ärmel habe ich doppelt zugeschnitten, dann habe ich daran unten gar keine Naht!
So sehen die zusammengenäht aus.

Die Abnäher nähe ich mit einem elastischen Stich mit der Nähmaschine und schneide sie mit der Zackenschere ein bisschen zurück. das trägt weniger auf als eine Ovinaht und verschwindet ja dann später unter dem Doppel.

Damit sich nachher nix dehnt, was in Form bleiben soll (zumal ich auch die Außen- und Schulternähte des Oberteils nicht mit der Ovi nähen will, sondern mit der Nähmaschine und dann die NZG auseinanderplattbügeln...), bügele ich Formband auf, das ist ganz fein mit einem eingewirkten Faden. Dasselbe kommt auch auf den unteren Teil des Ausschnitts, weil der eine feine Kontur bekommen soll. Bei einem Rundhalsausschnitt wäre das nicht nötig. Beide Oberteile einzeln zusammennähen.

Jetzt rechts auf rechts stecken.

Mit der Ovi zusammennähen bis auf den konturierten unteren Teil des Ausschnitts - Ecken nähen mit der Ovi ist nämlich so'ne Sache...
Leider leicht unscharf: Der untere Teil des Ausschnitts, zusammengenäht mit der Nähmaschine, mit angedeuteter Ecke und Einschnitt, damit er besser wendbar ist.

So sieht das jetzt gewendet aus.


Jetzt kommen die Ärmel dran. Da kommen also nun 4 Lagen Stoff aufeinander, an den Nähten auch 8. Wenn ich das mit der Ovi zusammennähen will - und das will ich! - besteht die Gefahr, dass eine der mittleren Lagen nicht mitgefasst wird. Dann muss ich auftrennen und pfuschen. Oder, schlimmer, es kann sein, dass ich aus dem Wust der Stoffe, die sich da seitlich neben der Maschine drehen, ein unfreiwillig mitreingeflutschtes Stückchen mitfestnähe und am besten mit dem Ovimesser zugleich einkürze, dann wäre möglicherweise alles hin. Ich kämpfe ja seit jeher tapfer gegen das Diktum meiner Schneiderlehrerin an, die immer wieder predigte, alles grundsätzlich mit der Hand vorzuheften. Aber ich weiß, wann ich verloren habe. Also *seufz*: Die Ärmel werden mit einem Kantenstich ganz knapp zusammengeheftet, immer schön alle 4 Stofflagen mitfassen. Dieser Heftfaden sollte nachher von der Ovi quasi autimatisch abgeschnitten werden.


Dran.

So hängt das jetzt an meiner Marie Antoinette. Dass die Abnäher noch rumbeuteln, lässt sich gleich durch tropisch büglen erledigen. (OT: In meiner Nähmansarde hatte es heute auch ohne tropische Bügelaktionen gute 35°C - uff, das war eine Prüfung!)

So, Rock dran (auf die gleiche handvorgeheftete Weise *nochmalseufz*), gesäumt, gebügelt. Pannenfrei gelungen.

Das Oberteil aus der Nähe.

Halsausschnit mit hervorblitzendem Pyjamastoff ^^.

Die Abnäher, beutelfrei, weil tropisch gebügelt.

Der gedoppelte Ärmel. (Und hier kommt, wie ich finde, endlich mal der richtige Farbton rüber.)

4 Kommentare:

  1. Wow, wieder mal eine Menge gelernt heute! Danke für die tolle Anleitung!

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  2. Vielen Dank für diese Tipps. Ich habe grad auch einige ärmellose Shirts genäht und um die Bündchen drumrum zu kommen, dass Oberteil gedoppelt. Ganz zufrieden bin ich noch nicht (könnte auch ein Problem der Stoffwahl sein...ggrrrr),aber den ein oder anderen deiner Tipps werde ich unbedingt umsetzen. Liebe Grüsse Danie
    P.S. Gibt's noch ein Foto mit Kleid an der Frau? (-;

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  3. Wow sieht das Kleid toll aus und was für eine Arbeit du dir mit der Anleitung gemacht hast!

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  4. Ich freue mich, dass euch Kleid und Anleitung gefallen. Danke für euren Zuspruch!

    @Prülla: Ich mag mich nicht so gerne fotografieren lassen... dafür hab ich doch extra Marie Antinette ;)
    Was die Stoffwahl angeht: Den Halsausschnitt kannst du nur dann wirklich verlustfrei unabgesteppt lassen (und das ist ja der Sinn der Übung), wenn
    1. die Stoffe gleich dick und fest sind, denn sonst stellt sich die Naht auf und der dünnere Stoff wellt sich drüber und
    2. Die Naht stabil genug ist - also entweder mit der Ovi genäht wurde oder genügend (wohleingeschnitterer) Überstand bleibt.
    Außerdem muss exakt im Maschenlauf geschnitten sein, aber das tust du ja sicher sowieso immer ^^

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